“Woyzeck” kommt ans Kreisgymnasium Riedlingen

Veröffentlicht am Dienstag, den 05.03.2024

Eine Aberratio vom Schulalltag

“Woyzeck” kommt ans Kreisgymnasium Riedlingen 

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Rouven Honnef tritt am Kreisgymnasium auf. (Bild: KGR)

Habt ihr schon mal ein Theaterensemble aus nur drei Schauspielern erlebt? Zumindest ein Deutsch-Leistungskurs der JS2 wird diese Frage mit “ja” beantworten können. Außergewöhnlicher und anspruchsvoller wird es dann schon, wenn nur zwei Darsteller auf der Bühne stehen. Rouven Honnef vom “THEATERmobileSPIELE” aus Karlsruhe legte mit seiner Aufführung des Dramenfragments “Woyzeck” von Georg Büchner nochmal einen drauf: Völlig allein führte er am 07. Februar knapp 90 Minuten lang das Stück in einer Inszenierung von Thorsten Kreilos auf.

Nun ja, völlig allein trifft nicht ganz zu. Beim Aufbau des Bühnenbilds, das aus grauen Vorhängen, zwei Metallzäunen und Haufen von Altkleidern bestand, erhielt er Unterstützung der Jahrgangsstufe 2. Pünktlich zur fünften Stunde fanden sich mehrere Dutzend Schüler und Schülerinnen im Multifunktionsraum ein, der an diesem Tag zum Theatersaal wurde. Das Parkett waren Stühle, die Ränge und Balkone waren Tische.

Genauso unkonventionell wie das Setting war dann auch die Aufführung selbst. Ab der ersten Szene, in der die namensgebende Hauptfigur Franz Woyzeck wie ein Tier zwischen den Kleiderhaufen herumkrabbelte und lautstark Erbsen regelrecht fraß, war klar: Es kommt keine leichte Kost auf die Zuschauer zu. Die nachfolgenden Szenen befanden sich ständig im Übergangsbereich von Faszination zu Verstörung. Faszination über die beeindruckende Leistung Rouven Honnefs, der jedem Charakter eine eigene Stimme und Verhaltensweise gab und mental sowie körperlich alles aus sich herausholte. Verstörung über sexuelle Anspielungen, Woyzecks Essverhalten und seine Psychosen.

Wer sich nun fragt, wie das Problem des sehr sparsamen Ensembles den vielen Charakteren gerecht wurde: Sprechtexte vom Band und Puppen. Eine verzerrte Stimme aus dem Off machte die Ansagen des Jahrmarktschreiers, während Rouven Honnef zwischen seiner leibhaftigen Rolle als Woyzeck und seiner Rolle als Puppenspieler hin- und herwechselte. Als er die erste lebensgroße Puppe auf einem Metallfuß heraufzog, zuckte der gesamte Raum zusammen. Mit dem grotesken Gesicht, das einer Kreuzung von “E.T.” und dem 2023 von einem mexikanischen Journalisten präsentierten “Alien” glich, hätten sämtliche Puppen gut und gerne auch einem Horrorfilm entstammen können. In der Annahme, dass genau dieser Effekt erzielt werden soll, ist die Arbeit von Marcus Stiefel-Dürr zu loben, von dem der Puppenbau und die Ausstattung der Produktion stammen.

Zuletzt sollte Rouven Honnefs Interpretation des Theaterstücks hervorgehoben werden. Er stellte es – passend zum Bühnenbild - bewusst so dar, als ob Franz Woyzeck nach seinem Mord bereits im Gefängnis säße. Dabei durchlebt der Soldat immer wieder sein Trauma der vergangenen Zeit. Die verschiedenen Gemütszustände Woyzecks, seine Wut, Verzweiflung und Demütigung, wurden dabei eindrücklich dargestellt. Etwas zu kurz kamen nur seine Verletzlichkeit und Tragik, die im Dramenfragment auch zu erkennen sind.

Nach der Aufführung halfen mehrere Schüler, Bühnenbild und Requisiten in das Auto des Schauspielers zu laden. Er bedankte sich und wünschte uns viel Glück für das Abitur. Im zweckentfremdeten Multifunktionsraum 1 kehrte nach der “Woyzeck”-Aberratio (lat. Abweichung) schnell wieder der normale Schulalltag ein. Aber die Eindrücke der faszinierenden und unterhaltsamen Aufführung werden in den Köpfen bleiben.

Benjamin Fuchs

Kreisgymnasium Riedlingen

Ziegelhüttenstraße 45
88499 Riedlingen
Schulleiterin:
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